Verfahrensinformation

Das beklagte Land gewährte dem Kläger, einem Universitätsprofessor, Beihilfe zu den diesem in den Jahren 2017 und 2018 für die Inanspruchnahme medizinischer Leistungen entstandenen Aufwendungen. Die Beihilfe kürzte es für jedes Jahr um die in der Beihilfeverordnung vorgesehene Kostendämpfungspauschale in Höhe von 275 €. Der Kläger wandte sich gegen die Kürzung, soweit sie mehr als 225 € jährlich betrug. Während das Verwaltungsgericht dem Kläger eine weitere Beihilfe von insgesamt 100 € zusprach, wies der Verwaltungsgerichtshof seine Klage ab. Mit seiner Revision macht der Kläger im Wesentlichen geltend, dass die vom Gesetzgeber selbst im Rahmen des Haushaltsbegleitgesetzes 2013/14 geänderte Kostendämpfungsregelung in der Beihilfeverordnung mangels ausreichender gesetzlicher Ermächtigungsgrundlage unwirksam sei. Sie sei auch deshalb unwirksam, weil die vom Bundesverfassungsgericht für die Beamtenbesoldung formulierten Prozeduralisierungsanforderungen auch im Falle der Erhöhung der Kostendämpfungspauschale anwendbar, aber nicht beachtet worden seien. Schließlich sei die Erhöhung der jährlichen Kostendämpfungspauschale um 50 € wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) unwirksam. Die Erhöhung betreffe Professoren, die wie er ein Festgehalt nach Besoldungsgruppe W 3 bezögen. Bei den Professoren der Besoldungsgruppe C 4 mit aufsteigenden Gehältern betrage die Kostendämpfungspauschale weiterhin unverändert nur 225 €, obgleich diese überwiegend ein höheres Gehalt als W 3-Professoren erhielten. Das Bundesverwaltungsgericht wird voraussichtlich zu prüfen haben, ob die Argumentation des Klägers durchgreift.


Pressemitteilung Nr. 11/2024 vom 21.03.2024

Beihilferechtliche Kostendämpfungspauschale in Baden-Württemberg ist unwirksam

Die Regelung der Beihilfeverordnung Baden-Württemberg (§ 15 Abs. 1 Satz 5 BVO BW), wonach Beamtinnen und Beamten des Landes jährlich ein nach Besoldungsgruppen gestaffelter Betrag von der Beihilfe zu krankheitsbedingten Aufwendungen abgezogen wird, wahrt nicht die Anforderungen des verfassungsrechtlichen Grundsatzes vom Vorbehalt des Gesetzes und ist deshalb unwirksam. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.


Der Kläger, ein Professor der Besoldungsgruppe W 3 an einer Universität des Landes Baden-Württemberg, erhielt vom beklagten Land eine Beihilfe zu den ihm aus Anlass der medizinischen Versorgung seiner Tochter in den Jahren 2017 und 2018 entstandenen Aufwendungen. Von dem errechneten Beihilfebetrag zog das Land für jedes Jahr eine Kostendämpfungspauschale in Höhe von 275 € ab. Der Kläger stützte seine auf Zahlung weiterer Beihilfe in Höhe von 100 € (50 € für jedes Jahr) gerichtete Klage unter anderem darauf, dass die Kostendämpfungspauschale für die besser verdienenden und deshalb leistungsfähigeren Professoren der Besoldungsgruppe C 4 225 € betrage, während sie für Professoren der Besoldungsgruppe W 3 um 50 € auf 275 € erhöht worden sei. Die Klage hatte vor dem Verwaltungsgericht, nicht aber vor dem Verwaltungsgerichtshof Erfolg. Die Revision des Klägers führte zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.


Das Bundesverwaltungsgericht hat zur Begründung ausgeführt, dass § 15 Abs. 1 Satz 5 BVO BW unwirksam ist, weil der auch im Beihilferecht geltende Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes nicht gewahrt worden ist. Danach muss der parlamentarische Gesetzgeber die tragenden Strukturprinzipien und wesentliche Einschränkungen des Beihilfesystems selbst festlegen. Bei Beihilfekürzungen in Form von Selbst- bzw. Eigenbeteiligungen muss der Gesetzgeber wegen deren Auswirkungen auf die Höhe der Alimentation insbesondere selbst entscheiden, welchen Rahmen die Beteiligung der Beamten nicht übersteigen darf. Außerdem muss er vorgeben, ob und gegebenenfalls nach welchen Gesichtspunkten die Kostendämpfungspauschale der Höhe nach gestaffelt werden muss. Deshalb ist eine Kostendämpfungspauschale, die durch eine gegenüber dem Gesetz rangniedrigere Rechtsverordnung eingeführt oder geändert wird, nur wirksam, wenn der parlamentarische Gesetzgeber seine diesbezüglichen Vorstellungen in einer gesetzlichen Verordnungsermächtigung hinreichend klar zum Ausdruck gebracht hat. Eine Bindung an die Grenzen der gesetzlichen Ermächtigung besteht nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch dann, wenn – wie hier – eine bestehende Verordnungsregelung (§ 15 Abs. 1 Satz 5 BVO) durch den Gesetzgeber selbst geändert worden ist. Sie hat auch in diesem Falle nur den Rang einer Verordnung. An einer danach erforderlichen hinreichend bestimmten gesetzlichen Ermächtigung für den Erlass der Verordnungsregelung fehlt es hier. Der als Ermächtigung allein in Betracht kommenden Vorschrift des Landesbeamtengesetzes Baden-Württemberg (§ 78 Abs. 2 Satz 3 LBG BW) ist mit der Formulierung "zumutbarer Selbstbehalte" weder eine Obergrenze der Eigenbeteiligung zu entnehmen, noch ob und nach welchen Kriterien die Kostendämpfungspauschale zu staffeln ist.


BVerwG 5 C 5.22 - Urteil vom 21. März 2024

Vorinstanzen:

VGH Mannheim, VGH 2 S 2103/20 - Urteil vom 04. Mai 2021 -

VG Karlsruhe, VG 2 K 8782/18 - Urteil vom 23. Juni 2020 -


Beschluss vom 09.03.2022 -
BVerwG 5 B 26.21ECLI:DE:BVerwG:2022:090322B5B26.21.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 09.03.2022 - 5 B 26.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:090322B5B26.21.0]

Beschluss

BVerwG 5 B 26.21

  • VG Karlsruhe - 23.06.2020 - AZ: VG 2 K 8782/18
  • VGH Mannheim - 04.05.2021 - AZ: VGH 2 S 2103/20

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 9. März 2022
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen-Weiß und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Holtbrügge
beschlossen:

  1. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg über die Nichtzulassung der Revision in seinem Urteil vom 4. Mai 2021 wird aufgehoben.
  2. Die Revision wird zugelassen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt der Kostenentscheidung in der Hauptsache.

Gründe

1 Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision ist zulässig und begründet. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen.

2 Das Verfahren kann dem Senat voraussichtlich Gelegenheit geben, die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu der Beamten u.a. in Krankheitsfällen gewährten Beihilfe und ihrer Einschränkung durch eine Kostendämpfungspauschale insbesondere im Hinblick auf deren Differenzierung nach Besoldungsgruppen sowie hinsichtlich des Bestehens oder Nichtbestehens prozeduraler Begründungspflichten des Gesetz- oder Verordnungsgebers fortzuentwickeln.
Rechtsbehelfsbelehrung
Das Beschwerdeverfahren wird als Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen BVerwG 5 C 5.22 fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig einzureichen.